RADTOUR 2019 – VON ST ANTON AM ARLBERG BIS KREMS
Oder: wer eine Reise tut, der hat was zu erzählen – besonders, wenn er mit dem Rad unterwegs ist…
Aber der Reihe nach:
Die heurige Radtour steht von Anfang an auf unsicheren Beinen. Franz hat erst Ende März eine neue Hüfte bekommen, die zweite jetzt. Ob, und wie weit er da fit werden wird, und ob er überhaupt mitfahren kann, steht in den Sternen. Ich plane die Tour zur Sicherheit erst für später, für August. Ursprünglich wollte ich ja den Euro-Velo 9 über den Wechsel bis Marburg fahren und über Kärnten dann retour. Da sind aber jede Menge Steigungen dabei, ist also nicht die geeignete Strecke so knapp nach einer Hüftprothesen-OP. Also fasse ich eine Ersatzstrecke ins Auge, die flacher ist. Wir würden da zum Balaton fahren, weiter bis nach Budapest, und entlang der Donau wieder nach Hause. Bei näherer Betrachtung sind da aber ein paar Aspekte, die Schwierigkeiten versprechen. Zum einen die Strecke, die nicht gut beschildert sein soll und auch zum Teil in recht schlechtem Zustand. Dann die Sprache (wie ein Quartier am Telefon finden, den Preis erfragen, fragen ob es ein Gasthaus gibt, etc…) Was wenn uns dann keiner versteht ? Und letztlich auch noch das Geld. In Ungarn gibt es noch Forint, keinen Euro. Wieviel umtauschen ? Wieviel werden wir brauchen ? Zuviel am Anfang wär‘ blöd, zumal 1 Euro rund 325 Forint sind. Da hätte ich gleich etliche Zehntausend in der Tasche. Zuwenig ist aber auch schlecht. Was, wenn es dann keinen Bankomat gibt, wenn wir Geld brauchen ? Alles zusammen lässt mich diese Idee wieder verabschieden. Vielleicht ein anderes Mal.
Nach einigen anderen Varianten die ich mir ausdenke und wieder verwerfe, sehe ich im Mai im deutschen Fernsehen eine Sendung über den Alpe–Adria Trail. Den Teil von Salzburg bis Villach (und dann weiter nach Hause) bin ich schon mit Peperl gefahren, aber das Stück ab Villach bis runter nach Grado – das wird in dieser Sendung so toll präsentiert, dass ich sofort Feuer und Flamme bin ! Das machen wir ! Zwar auch „Berge“, aber auf den Semmering rauf könnten wir z.B. die Bahn nehmen. Und von Udine nach Villach zurück ev auch, falls Franz das mit der neuen Hüfte doch nicht schafft. Das wird also ziemlich konkret.
Ende April bekommt dann auch meine Frau eine neue Hüfte und gleich Anfang Juli einen Reha-Platz. Da wüsste ich sie gut betreut und könnte mit gutem Gewissen auf Reisen gehen. Wir wollen daher schon in diesen drei Wochen fahren und nicht erst im August, wie geplant. Franz ist inzwischen auf dem besten Weg. Der Kerl sitzt schon rund 6 Wochen nach der OP auf dem Rad, und bis Juli bringen wir es noch auf etliche hundert km. Trotzdem bleiben die Berge/Anstiege meine Sorge. Es ist ja doch ein Unterschied, ob ich in der bei uns flachen Umgebung 50 – 70 km fahre, oder 100 und mehr, und das jeden Tag. Und wenn dann noch Steigungen dazukommen…
Als ich dann noch draufkomme, dass wir eigentlich in der Haupt-Urlaubszeit unterwegs sein werden und nicht im Juni wie voriges Jahr, und dass wir grade zum Wochenende in Italien wären, werde ich wieder total unsicher. Pepino von den „Pedaltretern“, ein Radkamerad, meint auch, dass es mit den Quartieren da unten nicht so üppig ist, und dann sind wir grad am Wochenende dort unterwegs ?
Eine Woche vor Abfahrt stoße ich nochmal alles um: Eine der Ersatzstrecken die ich wegen Franz ins Auge gefasst habe, ist, von St Anton am Arlberg wegzufahren, in Landeck auf den Inn-Radweg zu treffen, und über Inn und Donau heim zu fahren. Das wäre hauptsächlich bergab, hauptsächlich eben, und wir könnten zur Not fast jederzeit in den Zug, wenn‘s sein müsste. Ich bespreche mich kurz mit den Kameraden, beide sind einverstanden – es wird also St Anton ! Dass wir dann auch noch kurzfristig den Abfahrtstermin ändern, ist nach DER Vorgeschichte fast schon normal… Wir checken die Fahrmöglichkeiten mit dem Zug (ÖBB, oder Westbahn/ÖBB kombiniert, von Fischamend oder von Bruck aus, Hauptbahnhof Wien oder doch Rennweg,…). Mal gibt’s da keine Plätze fürs Fahrrad, mal da keinen Sitzplatz, mal spricht die Fahrzeit dafür oder dagegen, es ist ein Krampf… Schließlich sind die Fahrkarten besorgt, wir starten am 5.7.
- TAG: FISCHAMEND – GÖTZENDORF – ST. ANTON – TELFS, 96 km
Letztlich ist es so geworden, dass Franz und ich in der Früh mit dem Radl von Fischamend nach Götzendorf zum Bahnhof fahren und dort in die Bahn einsteigen. Peperl sitzt da schon ab Bruck/Leitha in diesem Zug, und wir treffen uns da. Dafür muss ich schon um 5h aufstehen, obwohl der Zug in Götzendorf erst um 6.42h abfährt, und wir nur rund 12, 13 km zu fahren haben. Aber Franz besteht auf einem Sicherheitspolster. Dafür sitzen wir dann in Götzendorf eine gute halbe Stunde am Bahnhof rum und warten auf den Zug… Aber es ist schon richtig so. Besser zu früh, als durch irgendeinen blöden Umstand den Zug versäumen.
Gemeinsam geht’s dann zum Hauptbahnhof in Wien, wo wir in den Zug nach St Anton umsteigen. Dafür haben wir 21 Minuten Zeit, das reicht locker. Das mit locker wird aber gleich relativiert, als wir ein paar Minuten Verspätung aufreißen. Ist aber kein Problem, weil wir auf Gleis 5 einlaufen wie wir sehen, und auf Gleis 6 abfahren. Zumindest hab‘ ich mir das so gemerkt. Als ich aber zur Sicherheit den Zugbegleiter frage, der zufällig grad dort steht, meint der: Nee, wir fahren nach München ! Also rasch die Fahrscheine rausgeholt und nachgeschaut – es ist Gleis 8, nicht 6 !
Also runter von unserem Bahnsteig, und bei Gleis 8 wieder rauf. Dazu können wir eine Rolltreppe nützen. Nicht genug bedacht wird dabei, dass Franz noch nie mit dem Rad und Gepäck eine Rolltreppe runter ist. Das ist gar nicht so leicht. Man muss schon ordentlich zupacken und die Bremsen fest anziehen, um dabei sicher stehen zu bleiben. Prompt steht er schlecht und kann das Rad kaum halten. Nie wieder Rolltreppe, sagt er unten gleich…
Rauf also mit dem Aufzug. Der Zug ist zweiteilig, einer steht schon da. Der letzte Wagen beginnt mit Nummer 21, bei 27 ist dieser Zug aus. Wir haben Wagen 31, müssen ganz nach vor > 28, 29,… unser Wagen ist also der letzte, wenn UNSER Zug reinkommt. Aber denkste ! DIESER Zug ist natürlich genau umgekehrt gereiht. 31 ist der erste Wagen, 28 der letzte ! Also im Galopp zurück zum Anfang (oder Ende, wie man will). Da stehen dann auch noch 2 andere mit Rädern, es wollen also noch mehr mit. Gut, dass wir reserviert haben.
Das Einsteigen ist dann Sch… pur ! Erstens sind da im Rail-Jet (modernster Zug Österreichs !) Stufen zu überwinden, wenn man rein will, und dann ist das auch noch unglaublich eng hier ! Mit dem Rad und dem Gepäck hinten drauf eine Tortur ! Der kurze Gang macht drinnen sofort ein Eck und durch die Enge komme ich gar nicht rum. Ich muss mein Rad vorne aufheben und dann seitwärts nach links kippen, um ins Abteil zu kommen. Genauso eng ist es dann drinnen. Die Räder müssen auf Haken aufgehängt werden. Also muss jetzt zuerst mal das Gepäck runter, sonst kann ich das Rad nie bis zum Haken hochheben.
Draußen höre ich Franz schon meutern. Der hat keine Ahnung was hier für Platzverhältnisse sind und schreit, warum da nichts weitergeht. Ich will ja, aber es geht einfach nicht schneller. Endlich ist das Gepäck unten. Inzwischen ist Peperl da, zu zweit geht’s besser. Irgendwann hängt das erste Rad am Haken, wir wurschteln uns mit dem zweiten ab. Franz hebt es von draußen rein, wir übernehmen drinnen. Abschirren, aufhängen. Schließlich noch das dritte… Na ja, das hab‘ ich schon wo besser gesehen ! Zum ersten Mal im Rail-Jet, aber so hab ich mir das nicht vorgestellt ! Die anderen beiden Radler haben Rennräder und kein Gepäck, das geht gleich leichter. Schließlich ist alles verstaut, wir suchen unsere Plätze auf.
Die sind im selben Wagen, der in Ruhe- und Familienzone geteilt ist. In der Ruhezone war nichts mehr frei, so sind wir dahinter im Familienbereich. So viele Leute mit (Klein)Kindern werden schon nicht so zeitig unterwegs sein, denk ich. Ist auch nicht so. Dafür ist vorne, in der sogenannten Ruhezone, bald der Teufel los ! Mit uns steigt eine Partie junger Männer ein, die offenbar poltern fahren. Einer, wahrscheinlich der Ehemann in spe, ist als riesiges Kondom angezogen. Die jungen Leute haben jede Menge Bier und andere Alkoholika mit, auch eine Menge Luftballons, die in Abständen platzen. So wird’s da vorne mit jeder Stunde lauter. Gut, dass wir da keine Plätze mehr bekommen haben
Ziemlich rasch vergeht die Zeit, und mit jeder Station hoffen wir, dass die Bande da vorne aussteigt Aber das ist erst in Ötztal, kurz vor unserem eigenen Ausstieg, der Fall. Wir reißen etwas Verspätung auf und machen zur Sicherheit den Schaffner drauf aufmerksam, dass wir in St Anton mit drei Rädern austeigen und dafür sicher wieder Zeit brauchen werden. Nicht, dass die die Verspätung aufholen wollen und schnell wieder die Türen schließen – und einer oder zwei von uns sind noch im Zug ! Aber wir werden beruhigt. Kein Problem, er hat das auf seiner Checkliste vermerkt. Ihr kriegt alle Zeit der Welt von mir, sagt er, ihr könnt ganz beruhigt sein. Das beruhigt uns wirklich und wir laden dann ohne Stress unsere Räder aus.
Jetzt sind wir also da, im berühmten Skiort St Anton, fast 1300 m hoch. Die Berge sind sehr nah, das Tal ist eng. Gleich vor uns ist die Rosanna, die in ziemlichem Tempo nach unten schießt.
Irgendwo da soll ein Radweg nach Flirsch sein, beschildert ist der aber nicht. Vom Zug aus haben wir aber schon gesehen, dass auf der Straße kaum Verkehr ist, alles fährt über die Schnellstraße vom oder zum Arlberg-Tunnel. Also probieren wir mal die Straße. Links geschaut – geht – und los !
Rasch nehmen wir Tempo auf. Das macht richtig Spaß ! Vor allem, weil die Straße nicht ZU steil ist, das Tempo nicht zu hoch wird. Trotzdem, wir bewegen uns meist zwischen 40 und 60, obwohl wir aufrecht sitzen bleiben. Aber es gibt absolut keine abrupten Richtungswechsel, keine scharfen Kurven, die Straße ist immer auf weiter Strecke für uns einsehbar – und damit auch einschätzbar. Und, wie gesagt, kaum Verkehr, auch weil unser eigenes Tempo sehr flott ist. Nach dem Radweg schauen wir schon nach wenigen Metern gar nicht mehr. Was kann schöner sein, als auf einer glatten, gut einsehbaren Straße ohne Verkehr, ohne enge, scharfe Kurven, bergab zu rollen !
Dazu die Kulisse ! Das enge Tal, die links und rechts aufragenden Berge, der blitzblaue Himmel mit ein paar weißen Wolken, die Sonne lacht… Kein Wunder, dass da in den Bergen das Jodeln erfunden wurde ! Wenn ich‘s könnte, würde ich jetzt selber juchazen ! Ein paar Radfahrer kommen uns entgegen, plagen sich die Steigung rauf. Unsere Richtung ist eindeutig die bessere ! Hin und wieder kommen Flachpassagen, oder auch mal ein leichter Anstieg, wo wir selber was tun müssen. Die meiste Zeit aber sind wir mit Bremsen und konzentriertem Bergab-Fahren beschäftigt.
Ein kurzes Stück hinter St Anton machen wir einen Foto-Stop. Pettneu liegt malerisch vor uns !
Das ist nicht mehr schön, das ist schon reiner Kitsch ! Ein paar Mal bleiben wir noch für Fotos stehen, und hin und wieder teilt sich auch die Straße, sodass wir bremsen und achtgeben müssen, wo unser Weg verläuft. Aber der unsrige ist nicht schwer herauszufinden, wenn man etwas aufpasst. Die Rosanna, die in St Anton klar und rein war, ändert zunehmend ihr Aussehen, wird trübe und dreckig. In den letzten Tagen hat es stärker geregnet hier, allerhand Gestein und Erde wird durch Zuflüsse eingeschwemmt. Generell ist sehr viel Wasser unterwegs.
Auf einem Ortsschild lesen wir ‚Quadratsch‘ – lustiger Name. Bei Pians ist eine relativ knifflige Kreuzung, wo wir Richtung Landeck abzweigen müssen. Kurz davor kommt die Trisanna von rechts daher und verbindet sich mit der Rosanna, die uns seit St Anton begleitet. Ab jetzt bilden beide zusammen die Sanna. In Landeck haben wir dann eine Baustelle vor uns und dort schaut Peperl, der seinen Tacho erst in St Anton eingeschaltet hat, mal nach. Wir haben 36 km/h Schnitt ! Trotz einiger Fotostopps und 3x Abnehmer einrichten am Rad von Franz. Der zeigt nicht ständig an (war nicht der Abnehmer, war die Batterie, kommen wir dann drauf). Die Baustelle kostet Nerven, und auch Zeit verlieren wir, weil der Weg zum Inn-Radweg nicht wirklich ausgeschildert ist. Zumindest nicht gut, und einmal verfahren wir uns auch ein Stück.
In Landeck stoßen wir nämlich auf den Inn, der, ursprünglich aus der Schweiz kommend, von rechts her, über das Oberinntal Richtung Innsbruck einbiegt. Hier mündet auch die Sanna und wir beginnen den Inntal-Radweg. Wenn wir ihn finden… Ich frage am Gemeindeamt nach, aber selbst das führt uns nicht gleich zum Ziel. Vorm Krankenhaus sind Radwegschilder, aber als wir denen nachfahren, sehen wir uns auf einmal wieder stromaufwärts unterwegs. Das stimmt auf keinen Fall ! Also wieder zurück. Tatsächlich, beim Krankenhaus ist noch ein anderes Schild. Das steht aber wieder so, dass man es nicht sieht, bzw nicht lesen kann wenn man drauf zufährt, weil es nicht mit der Stirnseite zu uns zeigt. Das andere (für uns falsche) Schild aber schon… Erst jetzt, beim Zurückfahren, ist dieser Wegweiser Richtung Innsbruck gut sichtbar und zu lesen. Es ist manchmal ein Krampf… Auch weil es eigentlich so aussieht, als ob die Straße nur zum Krankenhaus führen würde.
Aber sie führt auch, in stark verminderter Breite, hinter dem Krankenhaus weiter, jetzt sind wir also richtig. Wir sind auf der rechten Seite vom Inn und fahren auf meist guten, asphaltierten Wegen, die nur hin und wieder durch kleinere Baustellen unterbrochen werden. Ein Stück vor Obbruck tut sich auf einmal eine Steilwand vor uns auf. Nicht lang, aber seeehhhr steil… Das hat sicher Richtung 20% hier, ich kann kaum das Vorderrad am Boden halten. In Obbruck machen wir kurz Pause und ich stelle zum ersten Mal fest, dass es in Tirol preislich günstiger ist als im Osten bei uns. 2 Halbe Bier, ein großer Apfelsaft gespritzt – 8,90 Euro. Das kriegst bei uns nirgends um das Geld.
Wir überqueren den Inn und fahren durch Wald leicht bergauf, kommen ziemlich hoch über dem Inn heraus. Bergab, bergauf, geht’s weiter. Hinter Roppen steil, dann dafür lang sanft bergab.
Die Beschilderung ist uneinheitlich. Mal steht Telfs angeschrieben, dann Stams, dann Innsbruck, dann wieder kleinere Orte zwischendurch, es ist etwas mühsam. Aber wir kennen das ja schon – und die Hauptrichtung kennen wir auch – immer flussabwärts…
Wir passieren Stams mit dem schönen Stift und sehen auch die beiden Skisprungschanzen. Hier befindet sich ja das bekannte Skigymnasium, das schon viele Skigrößen hervorgebracht hat.
Telfs, wo wir übernachten werden, verpassen wir dann um ein paar hundert Meter. Da wo das Schild ist, lagert eine große Gruppe Jugendlicher mit Rädern und Mopeds. Die verdecken den Wegweiser und wir müssen uns auch auf die Gruppe konzentrieren, weil die ohne auf irgendwas zu achten durcheinanderlaufen. Ich habe aber den Verdacht, dass wir schon sehr in der Nähe sein müssten und frage einen Spaziergänger. Da seid‘s grad a Stückl zu weit, sagt er. Aber es sind nur rund 300m zurück, kein Problem.
Beim Quartier müssen wir kurz warten, bis jemand kommt. Erst da kommen wir drauf, WIE HEISS es eigentlich ist ! In den 5 Minuten, die wir vielleicht dort stehen und warten, bekomme ich beinahe einen Hitzekollaps ! Der Wind vom Fahren fehlt jetzt, die Luft steht hier und die Sonne brennt genau und erbarmungslos aufs Haus und auf uns nieder. Ich habe das Gefühl ersticken zu müssen, und bin richtig froh, als wir endlich ins Haus und in den Schatten können.
Im Einkaufszentrum in der Nähe nehmen wir rasch das erste kalte Bier und essen dann im Schwimmbad daneben zu Abend. Recht hübsch hier, und die Leute sind sowas von freundlich ! Und auch da die Preise sehr moderat im Vergleich zu uns.
Mit der Anfahrt zum Bahnhof Götzendorf sind es heut noch 96 km geworden, davon die ersten 20 km ab St Anton fast nur Abfahrt. Trotzdem sind auch rund 600 Meter bergauf aufgezeichnet. Es waren doch auch einige Anstiege (vor allem ab Landeck) mit dabei.
2. TAG TELFS – EBBS, 128 km
Schönes Wetter auch heute früh, der Tag verspricht wieder Genuss-Radeln zwischen den Bergen ! Das mit dem Genuss hat aber gleich wieder, nach genau 5,1 km, ein jähes und schmerzhaftes Ende… Wir fahren auf asphaltierten Wegen neben dem Inn. Ich voraus, Peperl und Franz zusammen ein Stück hinter mir. Was und wie es genau passiert ist, das ist von uns auch im Nachhinein nicht mehr genau zu rekonstruieren. Ich kann nur versuchen, zu schildern, wie es aus MEINER Sicht war.
Links von uns ist der Inn, von dichtem Gebüsch und Bäumen eingesäumt. Unser Weg führt immer geradeaus, immer den Inn entlang. Bis auf einmal auf unserer geraden Strecke links ein ziemlich verdeckter Weg abzweigt. Ich sehe ihn spät, wegen dem dichten Bewuchs. NOCH später sehe ich, dass links drinnen, ca 10 Meter versetzt, ein Schild ist, wo Innradweg draufsteht. Für MICH geht sich das mit Bremsen und Abbiegen noch knapp für uns alle aus. Zumindest glaube ich das, weil ich eben noch Peperl und Franz ein Stück hinter mir reden gehört habe. Die sind aber viel dichter an mir dran, als ich denke. Und wahrscheinlich auch vielleicht eine Zehntelsekunde abgelenkt durchs Reden. Und das Schild, das ich als Erster grade entdeckt habe, können die noch gar nicht sehen. Jedenfalls höre ich Peperl noch erschreckt irgendeine Warnung rufen, aber wir sind flott unterwegs… ZU flott für die zwei hinter mir, um ebenfalls noch rechtzeitig bremsen zu können.
Peperl fährt links neben Franz, also auch links von mir, hat dadurch freien Weg vor sich und kommt, ohne in Gefahr zu geraten, zum Stehen. Bei Franz klappt das nicht, weil der genau hinter mir ist. Ausweichen geht nicht mehr, und rechtzeitig bremsen auch nicht… Zwar mit schon stark reduziertem Tempo, aber immer noch mit einiger Wucht kommt er mit mir zusammen. Ich bin vollauf damit beschäftigt selber einen kapitalen Köpfler zu vermeiden. Der Anprall drückt mich nach vorn und zur Seite. Ein paar Sekunden lang, vielleicht auch in Wahrheit viel weniger, kann ich mich halten, bin dann mit einem Bein schon am Boden, kann mich noch ein paarmal abstützen, falle aber dann, fast schon im Stillstand, doch um.
Franz hat‘s vorher schon hingehaut. Der liegt links von mir auf dem Rücken und stöhnt laut. Ohne auf mich zu achten, oder irgendwelche eigene Verletzungen zu suchen, springe ich auf und zu ihm hin. Mein erster Gedanke: Um Gottes Willen, die Hüfte ! Ich seh‘ im Kopf schon gesplitterte Knochen und das neue Hüftgelenk frei liegen, eventuell ausgebrochen… Das ist dann auch meine erste Frage. Aber es ist die linke Seite oben, die er sich hält. Also ist er (Gottseidank) auf DIESE Seite hin umgefallen. Der erste Schock hält eine Weile an, dann helfen wir ihm langsam auf. Sofort ist die Hand wieder auf der bewussten linken Seite. Offenbar ist er damit auf den Lenker, oder sonst wo am Rad draufgefallen. Das tut sichtlich ziemlich weh, aber Franz steht zumindest wieder. Er blutet auch am Bein und am Ellbogen, aber sonst sind gröbere äußere Verletzungen nicht zu sehen.
Jetzt schau ich mal bei mir nach. Finger etwas aufgeschlagen, Nagel eingerissen, und am rechten Oberschenkel eine längere Schramme, aber nur oberflächlich. Ein paar Tage später wird dann daraus ein riesiger blauer Fleck werden – und einer am Hintern auch, den ich jetzt noch gar nicht merke… Auch die Räder haben überraschenderweise kaum was abgekriegt. Mein vorderer Kotschützer hat sich ausgehängt, der hintere ist etwas verbogen, und bei Franz ist die Kette runtergesprungen. Also doch noch alles halbwegs glimpflich ausgegangen ? So ist es dann nicht, aber das wissen wir da noch nicht. Also richten wir die Räder wieder her, fragen Franz wie‘s aussieht. Geht scho, meint er, und beißt die Zähne zusammen. Wir kleben noch Pflaster auf die Abschürfungen und fahren, noch etwas geschockt, weiter.
In den nächsten Stunden, den nächsten Tagen, und auch vorm Einschlafen, beschäftigt mich das. Für Franz bin sowieso ICH schuld, weil ich (überraschend) gebremst habe. Also prüfe ich mich, gehe die Sache im Kopf immer wieder durch. Das mit dem Bremsen stimmt wohl so, ist aber nur die eine Hälfte der Geschichte. Überraschend war‘s wahrscheinlich auch deswegen, weil die zwei hinten geplaudert haben und dadurch vielleicht diese entscheidenden Zehntelsekunden nicht ganz so konzentriert waren, wie das sonst bei uns der Fall ist.
Wahrscheinlich war‘s eine Verkettung unglücklicher Umstände und Faktoren. Wenn dieser Wegweiser RECHTS auf unserem Weg gestanden hätte, wo er eigentlich hingehört, wäre überhaupt nichts passiert. Auch links wär‘ noch ok gewesen, wenn er nicht so weit INNEN, so weit von der Abzweigung weg, aufgestellt worden wäre. Dann hätte ich ihn als Erster früher gesehen und hätte viel früher darauf reagieren können. Was ich mir bis jetzt nicht schlüssig erklären kann ist, warum ich trotz später Sicht auf das Schild noch gebremst habe, und abbiegen wollte. Wahrscheinlich, wie ich eingangs erwähnt habe, habe ich geglaubt, die zwei sind etwas weiter weg von mir.
Immer wieder, auch schon bei den früheren Touren, sehe ich als Erster mal einen Wegweiser sehr spät (zu spät). Dann zeige ich den richtigen Weg für die Hinteren mit der Hand an, bremse aber nicht oder nur leicht, und fahre oft deswegen als Erster sogar zur Sicherheit an der Abzweigung vorbei. 10 oder 20m weiter drehe ich dann um und fahre zurück. Auch an den folgenden Tag ist das immer wieder mal der Fall. Und grad da, grad heute früh, mache ich das nicht. Warum ? Ich weiß es nicht. Ich kann‘s mir nur so erklären, dass ich geglaubt habe, dass sich das trotz meiner späten Sicht auf das Schild auch für die zwei hinten ausgeht. Da hab‘ ich die Situation sicher falsch eingeschätzt. Wie schlimm es wirklich war/ist, zeigt sich erst zu Hause, als Franz dann zum Röntgen geht…
Genug davon, es ist eh nicht mehr zu ändern. Nach der Geschichte geht es etwas gebremst weiter. Wir treffen mit einem Paar zusammen und werden gefragt, wo wir hinwollen. Da fahrt‘s am besten mit uns mit, ist eh unsere Richtung. Der Radweg ist direkt neben der Autobahn, ich kenn einen besseren Weg, sagt der Mann. Das ist dann auch so. Wir fahren durch ruhiges Gelände, ein gutes Stück von der Autobahn weg. Den Weg hätten wir allein nie gefunden. Wir kommen da auch beim Flughafen Innsbruck vorbei, gleich neben dem Zaun. Ein Flugzeug steigt grad hoch, und zieht unsere Blicke an.
In Innsbruck machen wir natürlich auch einen Pflichtbesuch beim „goldenen Dachl“. So früh am Morgen sind noch kaum Touristen da, hauptsächlich Asiaten – wobei „kaum“ relativ ist. Es rennen schon einige Trupps herum. Aber ich hab da vor rund 10 Jahren mit Peperl gegen Mittag Massen erlebt ! In der Fußgängerzone können wir auch die Flaschen neu befüllen. Da ist ein Trinkbrunnen mit ständig laufendem Wasser, der spendet eiskaltes Nass. Wir verlassen die Landeshauptstadt über eine Brücke und fahren auf der linken Uferseite weiter.
Bei Hall geht’s aber schon wieder über eine Holzbrücke zurück. Dieses Hin und Her geht heute den ganzen Tag über so.
In Wattens könnten wir die Kristallwelten besuchen. Nachdem wir aber heute schon „Sterne gesehen“ haben, bleiben wir auf dem Radweg. Bei Franz fragen wir immer wieder nach, wies geht. So ganz erholt ist er noch nicht, die Seite tut weh. Ab Innsbruck wird das Tal breiter, wir sind sozusagen in der Kornkammer Tirols. Viele Felder wurden da angelegt, hauptsächlich sehen wir Kukuruz. Der Weg ist gut, und bietet immer wieder Schatten,
aber zwischen den Feldern auch viel pralle Sonne. Vor Schwaz mündet von Norden her der Vomper Bach in den Inn. Und der hat eine Farbe… Ein helles, glasklares Wasser in Türkis-Blau-Grün – am liebsten würde ich die Böschung runterklettern und da meine Beine reinstellen ! Traumhaft ! Der Inn dagegen im Hintergrund eine weißlich-graue Wassermasse – ein Gebirgsfluss eben…
Wir sind bald in Jenbach, da haben wir damals Mittagspause bei einer Sportanlage gemacht, kann ich mich erinnern. Das kommt auch heuer kilometermäßig gut hin für unsere Pause. Da gab‘s auch Frischwasser und Schatten. Als wir dort hinkommen, seh‘ ich Schirme und Leute an Tischen sitzen. Da ist so eine Art Kantine, und die dürfte offen haben. Da könnten wir uns doch was G‘scheites und vor allem Kaltes zu trinken kaufen und das Frischwasser dann in den Flaschen mitnehmen. Ich geh hoch und frage, ob ich die Getränke zum Brunnen mitnehmen darf, weil wir dort dann auch etwas essen wollen. Und warum wollt‘s net da essen ?, kommt die Gegenfrage. Na, weil wir ja unsere eigenen Sachen verzehren wollen… Na und ? Die könnt‘s da bei uns im Schatten auch essen !
So ist halt in Tirol… Bei uns hätt der Wirt schon abg’wachelt: Die eigenen Sachen da im Wirtshaus essen – na, des geht net ! In Tirol wirst sogar von der Wirtin dazu eingeladen… Das nehmen wir dankend an und bald sitzen wir bei einem kalten Getränk und essen einen Teil unserer Vorräte auf.
Dann geht’s mit frischen Kräften weiter, über die Ziller, Richtung Brixlegg. Es ist brütend heiß, so heiß, dass wir über den leichten Gegenwind den wir auf einmal haben, gar nicht böse sind. In Brixlegg machen wir dann einen großen Fehler, für den wir aber nichts können. Wir folgen dem Radschild auf die andere Flussseite und sind da auf einmal auf einem neu aufgeschütteten Damm. Offenbar waren da Hochwasserschäden und der Damm wurde nur mal provisorisch erhöht. Und da ist jetzt Loch neben Loch, Mugel neben Mugel, eine Bodenwelle nach der anderen, die „Fahrbahn“ ist wie eine Geröllhalde. Viele große Steine, sehr grober, großer, kantiger Schotter. Es rüttelt und schüttelt, dass ich Angst um meine Plomben bekomme ! Wir können kaum Schritttempo fahren, die Arme und Handgelenke tun weh. Und es ist pures Gift für Franz nach dem Sturz ! Der hat sowieso Schmerzen und jetzt auch noch DAS !
Aber wir wussten es nicht besser, haben uns auf den Wegweiser verlassen. Und der hätte, zumindest in dem Zustand wie der Weg jetzt ist, überklebt oder durchgestrichen werden müssen. Es ist wirklich unnötig, die Leute mit dem Schild auf diesen Trampelpfad zu schicken ! Vorher muss da sogar Asphalt gewesen sein, zumindest ist das auf der Karte so eingezeichnet. Aber jetzt ist das die Hölle ! Fast 2 km geht das so, bis wir vom Wegweiser wieder ans Südufer, nach Rattenberg, geschickt werden. Wären wir in Brixlegg auf unserer Seite geblieben, hätten wir zwar auf der Straße fahren müssen, aber wir hätten keine halbe Stunde verloren und wären auch nicht so wild durchgeschüttelt worden ! Das war Sch… meine Herren im Gemeindeamt Brixlegg !
Bis hinter Kundl gibt’s dann guten Weg, vor Wörgl müssen wir nach einem Haken fast 1 km in Gegenrichtung zurück. Ich erinnere mich, dass wir schon damals da total verunsichert waren, weil zwar Kufstein ausgeschildert ist, man aber Richtung Innsbruck zurückfährt. Damals war da auch noch eine riesige Baustelle, was das Ganze noch unübersichtlicher machte. Aber es stimmt schon: Es gibt vorher keine Möglichkeit über die Bahn, und dann muss man eben zurück, weil man auch noch über die Autobahn muss – und dieser Übergang liegt fast einen Kilometer in der Gegenrichtung. Und sausteil ist die Auffahrt auf die kleine Brücke auch noch. Wieder was für Franz…
Hinter Wörgl nochmal über den Inn, und dann ist bei Oberlangkampfen auf einmal nirgends mehr Kufstein auf den Wegweisern zu lesen und wir kommen auch ein Stück vom Inn weg. Sind wir richtig? Wir verlassen uns auf unser Gefühl und fahren in die Richtung wo irgendwo dann Kufstein sein müsste. Kurz drauf werden wir auch wieder durch ein Schild bestätigt. Irgendwie auch nicht so gelungen, die Beschilderung hier. Kufstein passieren wir auf der linken Uferseite. Gestern waren wir mit dem Zug da, heute mit dem Radl…. Ein Stück müssen wir noch weiter, wir wollen nach Ebbs. Über einen kleinen Steg können wir nochmal über den Inn und folgen einem Schild, dass nach Ebbs weist.
Keine gute Entscheidung, so kommen wir auf die Straße, wo recht viel Verkehr ist. Dass es anders geht, sehen wir 2 Tage später, als wir mit dem Rad nach Kufstein zurückfahren. Wir hätten am Innradweg noch ein gutes Stück weitergekonnt, und erst später über einen Feldweg direkt nach Ebbs hinein. Aber wer weiß das schon ? Wir haben halt die erste Tafel angenommen, wo Ebbs angezeigt war. Wir wissen ja nicht, dass da nachher noch eine Möglichkeit kommt. Egal, wir sind ja doch angekommen. Bei der Kirche sind zwei Gasthöfe wo wir essen können, haben wir von unseren Quartiergebern erfahren. Na, das kann ja nicht so schwer sein. Die Kirche ist immer zu finden, und ist auch immer das höchste Gebäude im Ort. Aber da schaut nix über die Dächer. Das ist aber komisch. Bauen die die Kirche hier in die Breite ? So blöd es klingt – wir müssen nachfragen. Und erfahren, dass wir noch gar nicht in Ebbs sind, sondern erst in Oberndorf. Also noch 2 km, und da schaut uns da auch schon der Kirchturm entgegen… Und das erste Bier steht wenig später am Tisch !
Das Quartier ist dann auch rasch gefunden, wir werden herzlich empfangen. Auch hier gibt’s Bier und sogar einen Kühlschrank zum Einkühlen für unsere Trinkflaschen. Aber zuerst unter die Dusche ! Was für eine Wohltat nach einem heißen und zum Teil auch staubigen Tag. Etliche Teile der Strecke waren heute Schotter- oder Kieswege. Und dann noch die Rumpelstrecke von Brixlegg nach Rattenberg. Wie eine Safaripiste in Ostafrika… am besten gar nicht mehr dran denken, grrrr…
128 km waren es heute, fast 6 ½ Stunden im Sattel. Franz hat sich bravurös gehalten, aber jetzt jammert er schon. Ich weiß nicht, ob ich morgen fahren kann, sagt er. Aber die Frage ist, ob wir überhaupt morgen fahren werden. Am Nachmittag hat es zugezogen (Gottseidank, bei der Hitze wäre die pralle Sonne kaum auszuhalten gewesen), es war bedeckt, die Wolken wurden immer dichter, und vor Kufstein haben wir sogar ein paar Tropfen abbekommen. Für heute Abend und leider auch für morgen sind zum Teil heftige Regenfälle angesagt. Da müssen wir mal abwarten wie es wirklich sein wird. Zumindest der erste Teil der Prognose bestätigt sich dann auch bald, es beginnt zu regnen. Zuerst leicht, dann stärker, hört auf, fängt wieder an, es donnert und blitzt… In der Nacht weckt uns dann ein richtiger Guss, das Wasser stürzt nur so herab. Wenn‘s morgen auch so ist, dann seh‘ ich schwarz für uns… Aber – erst mal schlafen drüber, und schauen, wies Franz morgen geht.
3. TAG: EBBS
Es geht ihm nicht gut… Franz meint, er könne sicher nicht weiterfahren, er hat kaum geschlafen, die Seite schmerzt. Über Nacht immer wieder Regen, auch als wir aufstehen. Die Prognose gibt auch nichts her für uns. Wir hoffen mal auf Besserung in Bezug auf Wetter und Franz. Ich frage nach, wie lang wir ev im Zimmer bleiben könnten, bzw auch wegen einer zweiten Übernachtung. Falls es sich bessert, könnten wir Mittag vielleicht los, wenn nicht, können wir bleiben. Zumindest DAS wär‘ mal geregelt. Das Wetter wird nicht g‘scheiter und auch Franz maust weiter herum, wir bleiben also. Mittag gehen wir zum Essen in den Ort, als es mal kurz nicht regnet. Und gleich ist es wieder stechend heiß. Aber nur für kurz. Kaum sind wir zurück, prasselt‘s schon wieder herab.
Ich hab‘ mir vom Wirt den Ärzte-Wochenenddienst raussuchen lassen, aber Franz will da nicht hin. Es geht scho… Es geht aber NICHT ! Am späten Nachmittag sind wir soweit, dass er heimfährt, es macht keinen Sinn.
Jetzt haben wir ein Problem. Alleine fahren will ich ihn nicht lassen. Wenn er nicht zum Arzt geht, weiß ja keiner, was wirklich los ist. So will und kann ich ihn nicht allein heimschicken. Er sagt zwar – wie immer – des geht scho. Und der Zug würde auch von Kufstein bis zum Flughafen durchfahren, er müsste also nicht umsteigen, also auch das Rad mit dem Gepäck nur einmal am Flughafen beim Aussteigen bewegen. Trotzdem… der Gedanke, ihn allein in den Zug zu setzen, will mir/uns nicht gefallen. Umgekehrt ist es aber so, dass, wenn einer mitfährt, egal wer, der andere die Tour ALLEIN auch nicht weiterfährt. Allein von Kufstein bis nach Hause macht auch keinen Spaß und wenn nochmal was passiert, ist dann nicht einmal Hilfe neben dir. Also war’s das für uns alle.
Dass wir alle wegen ihm aufgeben, DAS will Franz aber auch wieder nicht. Wir diskutieren hin und her, dann schauen wir mal wann morgen früh ein Zug fährt, und ob da überhaupt Platz für ihn/uns und die Räder wäre. Als wir dann die Karten kaufen wollen, zerstören wir dabei zwei Kreditkarten… Erst meine, weil angeblich der Sicherheitscode 3x falsch eingegeben wurde. Was eigentlich nicht sein kann, weil ich den nicht geändert habe… Dann melden wir die Kreditkarte von Franz für das System an. Da ist eine Menge an Daten zu tippen, was am Handy etwas mühsam ist. Das wollten wir eigentlich vermeiden. Wieder hängt’s dann am Secure-Code. Schon als wir den von ihm gewählten Code EINGEBEN, stürzt die Anmeldung ab. Falscher Secure-Code, heißt es, Karte gesperrt. Jetzt stehen wir nach über einer Stunde an Zug-Suchen und Versuchen die Zugkarten zu reservieren, ohne Kreditkarten da…
Zu Hause lese ich dann in der Zeitung, dass die ÖBB-Seite gehackt wurde. Wahrscheinlich hängt unser „Erfolg“ damit zusammen… Wie auch immer, wir haben keine Reservierung, müssen halt morgen auf gut Glück zurück nach Kufstein und schauen, was dort am Bahnhof möglich ist. Noch im Bett beschäftigt mich die ganze Sache so sehr, dass ich nicht einschlafen kann. Was wirklich tun ? Schließlich sag ich zu Peperl: Weißt, was ich mir wünschen würde: Dass Franz morgen früh in der Tür steht und sagt: Gemma Burschen, i bin fit, fahr‘ ma… Dann hätt‘ ma die ganzen Probleme nicht mehr.
4. TAG: EBBS – WINHÖRING (vis a vis von Altötting), 85km
…und da steht er wirklich, grinst, und deutet Kniebeugen an ! Der Ruhetag gestern und die 2. Nacht dazu, haben zu einer Art Wunder geführt. Sein Zustand hat sich soweit gebessert, dass vom Heimfahren mit dem Zug keine Rede mehr ist. Das Wetter ist aber nach wie vor schlecht. Für den Fall haben wir gestern schon vorausgeschaut und ein Ersatzprogramm aufgestellt. Wir fahren jetzt zurück nach Kufstein. Da sehen wir auch gleich, wie‘s Franz geht, wenn er auf dem Rad sitzt. Dann fahren wir mit dem Zug nach Rosenheim, schauen uns dort ein wenig um. Peperl ist ein Fan von den Rosenheim-Cops, da müssen zumindest ein paar Fotos gemacht werden. Und eine „Butterbrezen“ muss auch gegessen werden ! Die kommt ja mehr oder weniger in jeder Folge vor.
Wenn in Rosenheim das Wetter besser ist, fahren wir von dort mit dem Rad weiter, wenn nicht, gibt’s nochmal eine Zugstrecke dazu. Wir verabschieden uns und radeln los. Diesmal nehmen wir aber den Weg ohne Straße, direkt von Ebbs zum Innradweg. Tatsächlich, auf einem asphaltierten Weg erreichen wir nach rund 1 km den Uferdamm. So leicht hätt’s vorgestern sein können, wenn wir nicht schon bei der ersten angeschriebenen Gelegenheit vom Radweg nach Ebbs abgebogen wären… Allerdings machen wir auch heute einen Fehler, weil wir nicht auf den Damm rauffahren, sondern am Weg unten bleiben. Und der führt im Halbbogen wieder zur Straße zurück. Aber es kommt noch eine Gelegenheit zum Radweg zurück, und jetzt sind wir richtig.
Aber der Umweg hat Zeit gekostet, und das wirkt sich gleich negativ aus – es beginnt schon wieder zu regnen… Das Gepäck haben wir schon vorm Wegfahren geschützt, die Jacken haben wir auch schon an, jetzt flüchten wir uns unter eine Autobrücke und ziehen auch noch Regenhosen drüber. Wir erreichen den Bahnhof und schaffen es diesmal ohne Probleme, die Karten nach Rosenheim aus dem Automaten zu ziehen. Die Zeit passt auch, der Zug kommt in ein paar Minuten. Ein kleiner Schock, als wir unseren Bahnsteig aufsuchen: Da stehen eine Menge Leute und rund 40 Räder ! Wenn die alle mitwollen… Ein zweiter, genauerer Blick beruhigt uns: Die Räder sind alle versperrt und am Radständer festgemacht. Also keine Mitkonkurrenten um einen Stellplatz im Zug.
In Rosenheim suchen wir dann vor allem das Gebäude, das in der Fernsehserie die Polizeistation ist. In Wahrheit ist das das Rathaus der Stadt. Alles a Schmäh in der Serie…
Die Butterbrezen gibt‘s aber wirklich, für Peperl ein MUSS . Und tolle Mehlspeisen haben die auch da in der Bäckerei ! Und im Verhältnis zu uns, auch hier günstigere Preise. Ich hab‘ das schon öfter wo gelesen und kann es jetzt definitiv bestätigen: Österreich ist teurer als Deutschland. Wir bummeln in Rosenheim herum, schauen immer wieder zum Himmel. Na ja… Es wird letztlich doch wieder der Zug, diesmal bis Wasserburg. Dort sollte das Wetter dann auch wirklich mitspielen.
Wasserburg wirklich ein Unikat. Der Inn umschlingt die kleine Stadt auf drei Seiten. Wie ein Tropfen liegt der Ort in dem fast kreisförmigen Bogen, den der Fluss hier macht. Die Häuser stehen direkt am Ufer, eine einzige Brücke führt von der Innseite her in die Stadt. Der Name „Wasserburg“ ist mehr als berechtigt, das war seinerzeit sicher gut zu verteidigen. Der Bahnhof liegt auf der „Landseite“, heute kommen wir direkt in den Ort hinein. Dafür rollen wir eine gute Strecke hinunter. Wir suchen ein Gasthaus, aber ich sehe nur Türken, Griechen, Vietnamesen, Italiener – auch einen Bosna-Stand seh‘ ich.
Hä? Wir sind in Bayern ! Da wird’s wohl auch ein ganz normales Wirtshaus geben! Wir wollen ja nur eine Suppe und was zu trinken.
Schließlich werden wir doch noch fündig. Die Getränke sind wieder billig, die Kellnerin ist wieder total freundlich. Das ist bei uns nicht immer so zu finden. Dazu die typisch bayrische Aussprache, das hat alles Charme, ist überaus sympathisch. Eine Leberreissuppe wird es bei mir. Ein Riesentopf kommt daher, und da schwimmen gut 100 Stück davon drin. Und das um 3,20 Euro.
Wir verlassen Wasserburg über diese einzige Brücke, und müssen zum Radweg hoch. Der Weg ist steil, das wird kein Vergnügen für Franz. Wenigstens haben wir am Anfang einen Gehsteig, den wir illegal benützen. Es ist doch ziemlich viel Verkehr hier. Wie gesagt, die einzige Brücke raus, die einzige Straße hoch auf dieser Seite… Wir fahren langsam und gleichmäßig. Franz kommt eigentlich gut hoch, aber das war‘s für heute noch nicht… Wir haben zwar schon einiges „eingespart“ durch die Bahn und es werden heute auch relativ wenige Kilometer, aber es geht rauf und runter, etliche dieser giftigen, ungeliebten Pfeile im Radführer warten noch auf uns.
Oben werfen wir noch einen Blick runter auf Wasserburg und machen Fotos. Ja, schon schön und ziemlich einzigartig, wie der Ort daliegt.
Jetzt haben wir Bayern pur vor uns ! Hügelig, grüne Wiesen, kleine Wäldchen, Kühe. Wie in vielen Filmen im Fernsehen zu sehen. Nur der Himmel bleibt bedeckt, was aber angesichts der Steigungen gar kein Fehler ist. Nur regnen sollte es halt nicht… Auf der Höhe von Gars, am anderen Ufer vom Inn, ist das Auf und Ab dann zu Ende. Der Wind bläst grad günstig, es ist kaum Verkehr, so lassen wir den Radweg aus und fahren auf der Straße in zügigem Tempo bis Jettenbach. Hier geht’s über den Inn und gleich nach der Brücke ein Stück stromaufwärts bis zum Kraftwerk zurück.
Und hier zweigt auch der „Innkanal“ ab, der uns vor Jahren so viel Kopfzerbrechen gemacht hat ! Dieser „Kanal“ ist nämlich gut so breit wie der Inn selbst, um die 150m. Auf der Karte ist er aber nur ein hauchdünner, blauer Strich, während der Inn als dickes blaues Band, eingezeichnet ist. Dieses Größenverhältnis haben wir damals auch in der Realität erwartet, einen Kanal mit 5 oder 10m Meter Breite, und waren dann entsprechend verwirrt, dass wir da im Prinzip zwei gleich breite Wasserströme vor uns hatten. Darauf fallen wir aber heute nicht mehr rein, es geht entlang vom Kanal zügig weiter.
Bei Pürten wartet dann eine Herausforderung auf uns, eine Steigung von 16%. Gar nicht lang, aber eben 16%… Kurz danach noch einmal ein kräftiger Anstieg, das war‘s dann für heute… Hinter der letzten Steigung geht’s bergab, eine kleine Sutte, wo sich der Weg teilt. Geradeaus geht’s nochmal etwas bergauf. Vor uns zwei Radfahrer, die schon im leichten Anstieg sind, unser Weg geht also da rauf. Da wir durch die zwei Radler vor uns die Richtung kennen, können wir den Schwung von der Abfahrt mitnehmen. Ich lasse also das Rad laufen – ein Fehler ! Am tiefsten Punkt ist nämlich ein echter Knick, ein Wasserablauf quert die Straße. Zum Bremsen komme ich nicht mehr, auch ein Warnruf für die zwei hinten geht sich nicht mehr ganz aus.
Ich knalle mit Tempo in den Knick und erhalte einen kräftigen Schlag. Hoffentlich schaffen die anderen das auch ! Noch zwei Knaller hinter mir, bei Franz hängt sich die Tasche aus. Aber gut gegangen, nichts passiert. Da verlässt man sich einmal auf andere… Wären die zwei Frauen vor uns nicht gewesen, hätte ich bremsen müssen, um das Schild wegen der Richtung zu lesen. Ich bin froh, dass ich die Reifen so hart aufgepumpt habe, sonst wär‘ vielleicht die Felge verbogen gewesen.
Kurz danach, beim Stift Ecksberg vor Mühldorf, folgen wir dem Wegweiser. Keine gute Entscheidung. Eine steile, schlechte Straße führt nach unten, die dann in einen Schotterweg übergeht. Wären wir auf der Straße geblieben, hätten wir gemütlich nach Mühldorf runterrollen können. Dafür gibt’s aber rechter Hand einen kleinen Wald und Franz verschwindet mal im Gebüsch. Der hat schon einige Zeit ein gewisses Problem . Peperl hat auch eine Kleinigkeit zu erledigen, ich steh herum.
Aber eigentlich könnte ich ja auch, wenn wir schon stehen… Ich schau mich um, weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Also erledige ich mein „Geschäft“ gleich hier am Waldrand. Und – wie könnte es anders sein – die zwei Damen die wir vorhin überholt haben, haben auch die Abzweigung genommen und radeln GENAU JETZT hinter mir vorbei. Was ich da grad mache, ist den beiden natürlich auch klar. „Gute Verrichtung“ tönt es lachend. Ich muss auch lachen und aufpassen, dass ich mir nicht auf die Schuhe pinkle. Also wirklich ! Konnten die nicht die Straße nehmen ? Oder ich wenigstens ein paar Schritte in den Wald hinein machen wie Peperl ? Oder GLEICH das tun, was mir erst nach ein paar Minuten eingefallen ist ? Na ja, es war halt wie’s war…
In Mühldorf ist der Radweg wegen Hochwasser gesperrt, wir suchen uns den Weg durch die Stadt. Wir müssen eine Straße hoch und dann rechts, Richtung Töging. Hinter Töging vereinigt sich auch der Innkanal nach rund 25 km wieder mit dem Hauptfluss. Wir haben noch ein Stück, Winhöring ist unser Ziel. Auf einem schönen neuen Radweg sind wir bald da und machen eine weitere positive Erfahrung in Bezug auf freundliche Leute in Bayern. Wir stehen – eigentlich etwas ungeschickt und im Weg – an einer Kreuzung und sehen auf der Karte nach. Eine Frau bleibt mit dem Auto stehen, lässt das Fenster herunter. „Ko i was helfa ?“ fragt sie. Bei uns hätt sich das wahrscheinlich etwa SO angehört: „Miasst’s es da so deppert grad an der Kreuzung herumstehen ?“ Etwas in der Richtung wär’s eher gewesen, als eine freundliche Frage ob man helfen kann…
Sie kann, und weist uns den Weg für die letzten Meter. Heute sind wir in einem Gasthof. Hoffentlich ham die net Ruhetag, sagt Peperl. Ka Sorge, sag ich. Ich hab‘ am Telefon im Hintergrund Teller und Töpfe klappern gehört und allerhand andere Küchengeräusche, die ham sicher offen. Wir kommen hin – was steht da ? Montag Ruhetag ! Jetzt bin ich verwirrt. Was hab ich denn dann gehört ? Ich geh rein und werde sofort beruhigt. Ja, es ist an sich Ruhetag, aber sie haben eine Geburtstagsfeier, und wir kriegen natürlich auch was zu essen. Ok, sag ich, dann gehen wir rasch duschen und mischen uns dann unauffällig unter die Gäste. Die werden sich eh nicht alle kennen, da laufen wir mit der Feier mit Die Wirtin lacht: De kennan se scho alle guat, dös wird nix mit gratis mitnaschen…
Sogar die ganze Speisekarte steht uns dann zur Verfügung. Aber wir nehmen alle drei den Geheimtipp der Wirtin, das, was nicht in der Karte steht: Schweinskrustenbratl mit Knedl und Salat. Klingt gemütlich, saugut – und ist es auch ! Resche Kruste, dunkler Saft, weiches, saftiges Fleisch, lockerer Knödel – perfekt ! Und wieder schmeckt das erste kalte Bier hervorragend ! Und das um 3 EURO die Halbe !
85 km waren es heute nur, die es aber bis zur Hälfte in sich hatten ! Wir haben zwar mit der Bahn einige Steigungen ausgespart, aber es gab noch genug zu tun die ersten km ab Wasserburg. Franz hat sich gut gehalten, wenn er auch bei den Steigungen immer wieder mal vom Rad musste. Bergauf arbeitet halt der Oberkörper mit – und der ist eben lädiert… Da kommen dann die Schmerzen. Auf den Schnitt schau ich gar nicht. Die Schieberei auf den Bahnhöfen, in der Bahn und in Rosenheim und Wasserburg, dazu die Anstiege die Franz das Rad schieben musste – viel schneller als ein Fußgänger waren wir heut wohl nicht.
5. TAG: WINHÖRING – OBERNZELL, 127 km
Das Wetter hat sich gebessert, wir sollten heute keinen Regen befürchten müssen. Allerdings ist es kühl für Mitte Juli, empfindlich kühl sogar. Wieder brauchen wir eine zweite Schicht und lange Ärmel. Und wir müssen zu einer Apotheke, Franz braucht frische Drogen. Was so an Schmerzmittel da war, ist verbraucht. Dazu fahren wir über eine Brücke gleich in der Nähe vom Wirtshaus rüber nach Neu-Ötting. Alt-Ötting ist gleich daneben, und mir fällt ein, dass ich vor Jahren eine Urlaubsbekanntschaft hatte, die aus Alt-Ötting war, und die indirekt dafür mitverantwortlich ist, dass ich heute mit meiner Frau verheiratet bin Aber das ist eine andere Geschichte…
In den Ort rein müssen wir über eine steile gepflasterte Straße. Ginge anders auch, aber da wär‘ dann der ganze Verkehr. Franz schiebt wieder motiviert sein Rad da hoch, eine Apotheke ist rasch gefunden. Neu-Ötting ist ein hübscher Ort, mit einem schönen, alten Stadtkern. Wenn man nach dem Namen geht, ist Alt-Ötting wahrscheinlich noch schöner, weil älter, historischer. Aber dafür nehmen wir uns nicht die Zeit, es geht weiter, durch Wiesen, Felder und winzige Ortschaften.
Bei Marktl wollen wir auf die Nordseite rüber. Kurz vorher ist es mit den ruhigen Nebenstraßen aus, wir müssen auf eine viel befahrene Straße neben der Autobahn. Das ist jetzt nicht so lustig, dauert aber nur ein paar Kilometer. In Marktl haben Peperl und ich vor 10 Jahren bei einer herzlichen alten Dame übernachtet. Ob die noch lebt ? Sie war damals schon 86 oder 87. Wären wir von der anderen Seite in die Stadt gekommen, hätten wir ganz sicher dort vorbeigeschaut. So sind wir eigentlich schon hinter dem Ort und müssten extra zurückfahren. Auch das Geburtshaus vom vorigen Papst (Ratzinger) reizt Franz nicht, so fahren wir unseren Weg weiter.
Wir kommen nach Seibersdorf (ja, gibt’s dort auch), und stellen fest, dass dort der Atomreaktor spitz und dünn in die Höhe ragt. Ist natürlich der Kirchturm, aber durch den Ortsnamen kommen wir auf diesen Blödsinn . Weiter geht’s zum Zusammenschluss von Inn und Salzach, wo durch das Stauwasser eine große Wasserfläche entsteht, die für viele Vögel Heimat ist. Der Aussichtspunkt den man da eingerichtet hat ist aber ziemlich verwildert und zugewachsen, wir können kaum aufs Wasser
runtersehen. Da sollte man wieder mal was tun…
Es ist ein recht schlechter Weg, es geht etwas bergauf. Franz schaltet – und die Kette springt runter. Der Grund ist ein Kirschkern, der sich in der Kette verklemmt hat. Sowas muss dir auch erst einmal passieren…
Direkt neben dem Inn, der hier nach dem Zusammenfluss ziemlich breit ist, geht’s auf einem Damm weiter. Nur ein Kiesweg, aber gut zu befahren.
So erreichen wir Simbach, drüben liegt Braunau. Da sind wir schon ein paarmal durchgefahren, also bleiben wir diesmal auf der Nordseite. Zum ersten und zum letzten Mal ! Da geht’s nämlich rund 7 km auf dem Damm dahin, und der Untergrund ist sehr grober Schotter. Das bremst, das ist laut, das ist holprig, das ist staubig – und ist somit die falsche Entscheidung. Aber zumindest wissen wir’s jetzt. Passiert uns beim nächsten Mal nicht mehr.
Als wir dann wieder auf Asphalt kommen, breiten sich wieder Felder und Wiesen vor uns aus. Wir stoßen mit einem Mann zusammen, der auf einem alten Puch-Fahrrad unterwegs ist. Und das nicht langsam mit dem alten Gadern ! Da wir so ziemlich das gleiche Tempo fahren, unterhalten wir uns beim Fahren. Der ganze Kukuruz den wir da um uns sehen, wird nicht verfüttert oder siliert, sondern verheizt, meint er. Wertschöpfung unter 30%… Aber so ist es heute oft: Energiegewinnung durch Anbau von Futter- oder Lebensmittel. Irgendwie stimmt da wirklich was nicht… Der Mann hat ein künstliches Knie bekommen und fährt auch deswegen viel mit dem Rad. Im Prinzip ist er mit der OP zufrieden, was wiederum mir beim Zuhören guttut. Mein Orthopäde redet ja schon seit einigen Jahren davon, dass ich irgendwann so ein künstliches Knie brauchen werde. Aber so lang‘s geht, soll
ich weitermachen, meint er immer.
Bei Biberg verabschiedet er sich von uns, er wohnt da. Wir sind ab Simbach-Damm wieder etwas vom Inn weg, im Landesinneren. Mühlau, Ering, Biberg, haben wir passiert, vor Aufhausen machen wir bei einer prächtigen alten Linde eine kurze Esspause. Mitten in der Landschaft, bei einer kleinen Kreuzung ragt der Baum in die Höhe und spendet willkommen Schatten. Auch eine Bank ist da, also alles was der Radler so braucht. Trotzdem kehren wir aber 1 km weiter in Aufhausen bei einem Wirtshaus ein. Etwas Frisches, Kaltes trinken, eine Suppe, das muss schon sein.
Dann durchfahren wir Aigen und Irching, queren bei Egglfing den Inn nach Obernberg rüber. Es geht steil rauf in den Ort, wieder was für Franz… Obernberg ist immer wieder ein Hingucker !ingucker ! Ein großer, offener Platz mit einem Brunnen, bunte Häuser als geschlossene Front, Mauer an Mauer, tolle Fassaden, Blumen… Durch das Stadttor geht’s wieder raus, diesmal hinunter zu. Wir bleiben bis Reichersberg auf der Straße, so sparen wir uns einen weiteren steilen Anstieg vom Inn her in den Ort. Wir treffen wieder auf den Radweg, und verlassen Reichersberg über eine kleine Holzbrücke.
Danach folgt ein recht guter, ebener Kiesweg, immer ein gutes Stück oberhalb vom Inn, immer am Waldrand entlang, mit vielen Kurven und etwas auf und ab. Es ist schon Nachmittag, der Wald links von uns, also im Westen, so haben wir oft Schatten. So frisch es am Morgen war, jetzt ist es doch heiß geworden. 5 km vor Suben kommen wir wieder auf Asphalt. Auf einem kurzen Anstieg überholt uns eine Frau flott mit dem E-Bike. Frauen dürfen das, lacht sie, als wir ‚das ist feig‘ rufen.
Wenig später sind wir in Schärding. Wir machen Fotos, da kommen zwei Frauen daher, eine hat Schnackerl. Wie auf Kommando sagen Franz und Peperl: Gerald, nimm die Sonnenbrille runter ! Ein Schreck soll ja den Schluckauf aufhören lassen… Die Damen brauchen eine Sekunde, dann lachen sie hellauf, als die Pointe ankommt. Keine 300m weiter ist aber gleich wieder Schluss mit lustig: Peperl kommt auf einmal drauf, dass er keinen Helm mehr aufhat ! Wir schütteln alle drei den Kopf. Wie kann DAS denn sein ! Er selber merkt nicht, dass der Helm fehlt, und Franz und mir fällt das auch nicht auf ! Man sollte es nicht für möglich halten !
Anhand der Fotos recherchieren wir und kommen drauf: In Oberndorf, am Stadtplatz beim Brunnen, muss der Helm liegen. Vorher hat er ihn noch auf, danach nicht mehr… Ein Witz eigentlich, aber doch wirklich wahr ! Drei erwachsene Menschen, und keinem fällt das auf ! Gut, dass wir grad in Schärding sind. Da wird ein neuer Helm wohl zu bekommen sein. Ist auch so, und mit Geld kann man auch eine so unglaubliche, dumme Sache ausbügeln… Wir sind doch drei Deppen, alle miteinander !
Schärding ist Obernberg sehr ähnlich. Auch diese Geschlossenheit der Häuser, die bunten Farben, die runden Dächer. Danach wartet ein Steilstück auf uns. Damit da von der anderen Seite her niemand runterfahren kann und dadurch eventuell Gefahr erzeugt, sind versetzte Sperren aufgestellt. Da müssen wir alle runter vom Rad und schieben. Das kannst Du nicht mit dem Rad fahren.
Kurz drauf steht drüben auf der anderen Seite das prächtige Stift-Schloss Vornbach direkt am Ufer. Bis Wernstein haben wir ein Auf und Ab, und auch regen Seitenwind. Der wird uns aber, wenn wir in Passau in den Donauradweg einbiegen, unterstützen.
Momentan ist er noch eine Bremse, die zusätzlich zum kiesigen Untergrund Kraft kostet. Schloss Neuburg grüßt von drüben, hoch über dem Inn stehend. Kurz vor Passau haben wir dann eine Gruppe Radfahrer vor uns, wie wir sie noch nie in der Stärke gesehen haben. Das sind mindestens 50 oder 60 Menschen ! Da musst Du erst vorbeikommen ohne Probleme, denn natürlich fahren die kreuz und quer am Radweg… Da ich höre, dass die Englisch sprechen, klingle ich und rufe ständig „Attention, cyclists, 3 times !“ Es ist mühsam und dauert ewig, bis wir da vorbei sind, aber irgendwann ist auch das geschafft. Ich bin direkt erleichtert. Wie gesagt, gar nicht ungefährlich, wenn so viele Leute auf einmal unterwegs sind vor dir…
Dann sind wir vor Passau, müssen nur noch über den Inn, in die Stadt hinein, um drüben dann zum Donau-Radweg zu kommen. Eigentlich hätte ich ja Wernstein als Schlusspunkt für heute vorgesehen gehabt. Das wären rund 100 km gewesen, angesichts der offensichtlichen Beeinträchtigung von Franz genug, hätte ich gemeint. Aber meine beiden Mitstreiter wollten noch weiter, als wir das gestern besprochen haben. In Passau wird kaum ein Quartier zu finden sein, bei der Masse an Menschen, die sich da tagtäglich ansammelt. Und wenn, dann entsprechend „billig“ im Touristenort Passau… Also noch weiter, über Passau hinaus.
Es wird dann Obernzell, da müssen wir also noch hin, ca 20 km noch. Wir fahren über die Marienbrücke, durch die Altstadt, überqueren die Donau und schließlich die Ilz. Jetzt sind wir im Norden am Radweg und weil es schon so spät ist, sind da kaum noch Leute unterwegs. Wir kommen zügig voran, auch weil uns der lästige Seitenwind von vorhin jetzt unterstützt. Auch auf der Straße ist kaum Verkehr, auch von daher ist es ein angenehmes Fahren. Und es ist nach der langen Kiesstrecke vor Passau ein Vergnügen, jetzt wieder glatten Asphalt unter den Rädern zu haben.
In Obernzell rufen wir im Quartier an, wo wir hinmüssen. Fahrts grad weiter, bei der Kirche vorbei, dann müsst‘s…. tüt, tüt, tüt, aus. Super. Aber wir werden das schon finden. Peperl wirft das g‘scheite Kastl an, wir fahren mal los. Ich seh‘ ein Schild – 500m noch. Na also. Wir fahren dann sicher schon einiges MEHR als 500m, da gibt Franz von Peperl die Meldung nach vorn weiter: Noch 1,1 km. Super Wegweiser, denk ich mir… Wir haben wieder einen Gasthof ausgewählt, der heute Ruhetag hat. Aber kein Problem, ein kurzer Spaziergang bringt uns zu einer Pizzeria und tut nebenbei
auch gut, nach dem langen Radtag heute. Wir nehmen im Schanigarten Platz, das erste Bier kommt…
Herrlich ! Aber noch bevor wir ausgetrunken haben, gehen wir rein ins Lokal. Der Wind bläst immer noch und ist jetzt am Abend schon wieder kalt und unangenehm. Beim Fahren schon zu spüren, beim Sitzen aber geht das gar nicht. Echt ungemütlich. Kaum zu glauben um die Jahreszeit… Heut‘ gibt’s endlich einmal Nudeln für uns ! Da red‘ ma schon ein paar Tage drüber. Jetzt gibt’s für jeden Spaghetti in verschiedener Ausführung.
Am Ende waren es 127 km heute, über 6 Std Fahrzeit. Dass Franz das aushält… Aber vielleicht ist es ja besser geworden mit seiner Verletzung. Wir gönnen uns noch ein (sehr gutes) Eis, dann geht’s heim. Das Klo im Bad ist so knapp vor der Wand, dass ich die Knie nach links drehen muss, um überhaupt sitzen zu können. Dafür ist der Ventilator in etwa so laut wie eine alte DC 9. Aber die Betten sind gut und so schlafen wir rasch ein. Und sind auch genauso rasch wieder wach, wenn einer von uns in der Nacht aufs Klo muss – der Boden knarrt, der Ventilator dröhnt…
6. TAG: OBERNZELL – NAARN, 116 km
Wieder sehr frisch am Morgen, lange Ärmel werden gebraucht. Und eine Inspektion am Rad. Irgendetwas streift bei mir, schert, hört wieder auf, klinselt – irgendwas Metallisches… Wir finden aber nichts. Im Stehen, ohne Belastung, laufen alle Räder und die Kurbel normal, keine Berührungen irgendwo. Wenn ich aufsteige, ist das sofort wieder zu hören. Wir einigen uns darauf, dass sich wahrscheinlich die Bremsscheibe ein wenig zur Seite hin neigt, wenn das ganze Gewicht beim Aufsteigen auf einer Seite zusammenkommt.
Obwohl kühl, ist das Wetter aber sonnig und die Landschaft, die wir durchfahren, prächtig. Die Donau führt zwar sehr wenig Wasser, aber das hat auch seinen Reiz durch die deswegen hervortretenden Schotterbänke. Wie anders dagegen der Inn mit seinen reißenden Wassermassen ! Direkt neben der Donau steuern wir auf Schlögen zu. Hier müssen wir die Seite wechseln, vor uns liegt ein Naturschutzgebiet wo man nicht durch darf. Mit dem Fährboot geht’s rüber und drüben dann auf dem, wie ich meine, schönsten Abschnitt des Donauradwegs weiter.
Bei Inzell gibt es einen idyllisch gelegenen Campingplatz und ein noch schöneres Gasthaus zum Übernachten mit prächtigem Blumenschmuck.
Jetzt gibt’s auf fast 30 km außer uns nur die Donau, den Wald, die rechts und links aufsteigenden Berge und den schmalen Radweg. Und der ist neu asphaltiert – ein zusätzlicher Genuss in dieser wunderschönen Umgebung.
Wir passieren Aschach mit seiner schönen Strandpromenade mit Bäumen und vielen schattigen Gartenlokalen direkt am Ufer. Gefällt uns gut !
Danach nochmal Ruhe pur ! Die Donau ist mal ganz glatt, dann kräuselt sie sich im leichten Wind an der Oberfläche, die Wolken werfen ihre Schatten aufs Wasser, und beides zusammen sorgt immer wieder für tolle Farbeffekte. Einmal mehr ist dann vor uns eine große Gruppe Radfahrer unterwegs, an der wir vorbeimüssen.
Dann holen wir einen einzelnen, dürren Radler ein, fahren zügig weiter. Irgendwann fällt mir auf, dass da hinter mir ständig ein Quietschen ist. Fällt Franz das nicht auf ? Ich will ihm das sagen, dreh mich um – da ist gar kein Franz ! Der Dürre hat sich an mich gehängt, die zwei sind ein gutes Stück weiter hinten ! Und haben jetzt ihre Hetz, weil ich seit gut 10 Minuten mit dem falschen Hintermann geplaudert habe – und der versteht mich nicht mal, weil er ein Ausländer ist. Da hab‘ ich mir zwei Deppen als Begleitung ausgesucht… Ich warte auf die zwei, gemeinsam überholen wir den Dünnen wieder, und er hängt sich wieder an uns an. Diesmal gibt er aber bald auf. Den hast vorhin mit Deinem Tempo ruiniert, sagen Franz und Peperl grinsend.
Beim Kraftwerk Ottensheim fahren wir auf die Nordseite rüber. Auf DER Seite kommen wir um einiges leichter durch Linz als auf der Südseite. Franz drängt auf eine Pause, ist schon leicht grantig. Er muss was essen. Wenn der Zuckerspiegel bei ihm abfällt, geht das ganz schnell auf die Kraft – und auch auf‘s Gemüt…
Auf einer Bank machen wir kurz Rast mit Apfel und Banane, in Ottensheim selbst machen wir dann Mittagspause. Weil es eh immer bewölkt war, setzen wir uns an einen Tisch ohne Schirm. Aber als die Sonne dann durchkommt, wird es schnell zu heiß. Wir gehen in den Schatten, wo uns eine dort sitzende Dame mit den Worten empfängt: Da geht der Wind, da ist es ziemlich kalt, ich will Ihnen das nur sagen… Das ist auch wirklich so. Ohne Sonne ist es gleich kühl, IN der Sonne aber sofort brennheiß. Eine komische Woche haben wir heuer erwischt…
Die Strecke von Ottensheim bis Linz ist das genaue Gegenteil von vorher. Der Weg führt direkt an der Straße entlang, und die ist stark befahren. Ein Art Kulturschock jedes Mal, wenn wir hier fahren. Aber wir werden positiv überrascht. Es gibt noch vor Linz eine Unterführung zur Donau hin und eine neu errichtete Trasse auf Stelzen führt direkt am Strom entlang – kaum Autolärm und Abgase hier ! Eine gute Idee, perfekt umgesetzt. Linz selber ist dann, wie gehabt, kein Problem. Im Vorfeld habe ich bei den „Pedaltretern“ (befreundete Radfahrer) Negatives dazu gelesen und heute früh beim Frühstück das auch noch einmal vom Nebentisch so gehört. Aber die sind wohl anders gefahren. Hier, auf der Nordseite, gibt’s absolut keine Schwierigkeiten. Zwar eine Baustelle, aber einmal links rauf, einmal rechts, ein Stück geradeaus, wieder rechts runter, das war‘s.
Was die Pedaltreter aber auch als negative Erfahrung schreiben, das sind die Erlebnisse mit den Rennrad-Fahrern. Die bescheren auch uns immer wieder mal Schrecksekunden. Ein Rennrad-Fahrer hat natürlich keine Glocke am Rad, das passt offenbar nicht zum Image. Ein Rennrad-Fahrer hat natürlich auch keine Pfeife, mit der er sich bemerkbar machen könnte. Aber einen Mund und eine Zunge hat jeder, also zumindest ‚Achtung‘ rufen könnte man schon, wenn man von hinten kommt und in schnellen Tempo überholen will ! Aber ein Rennradfahrer hat auch keine Zeit zu rufen. Ist wahrscheinlich auch unsportlich oder feig, sich zu melden – also presst er sich ohne Warnung mit hohem Tempo nur Zentimeter an dir vorbei – auch bei Gegenverkehr.
Wir sind selber gar nicht so langsam unterwegs, das gibt Rollgeräusche, dazu der Fahrtwind, hin und wieder reden wir auch miteinander… und dann prescht auf einmal so ein „richtiger Radfahrer“ so knapp an dir vorbei, dass es manchmal sogar Berührungen gibt. Was hindert diese Menschen wirklich daran, ‚Achtung‘ oder ‚Vorsicht‘ zu rufen ? Die bringen ja nicht nur die die sie überholen, sondern auch sich selbst in Gefahr. Wenn’s den mit weit über 30 ins Gelände schmeißt, hat’s mit der mutigen, sportlichen Fahrweise ein jähes Ende. Wozu dieses Risiko ? Beim Autofahren blinkt man ja auch, zeigt an, dass man überholen will oder wird. Und beim Radfahren, so ganz ohne Knautschzone, braucht man das nicht ? Für mich sind diese Leute nicht sportlich oder mutig, sondern einfach nur DUMM – und rücksichtslos !
Vor Abwinden geht es wieder in die Landschaft, eine willkommene Abwechslung. Kurz vor Mauthausen überholen wir ein paar holländische Radler. Neben überhaupt viel Gepäck, wie die
andern auch, hat der Erste vorn auch noch eine leere Bierkiste am Lenker montiert, die mit allen möglichen Dinge vollgepackt ist. Auch eine Lösung ! Mauthausen bietet eine schöne Häuserfront zur Donau hin. Bei der Ennsbrücke lädt dann ein Greifbagger direkt am Radweg riesige, hunderte Kilo schwere große Felsbrocken auf einen Lkw. Die machen keine Anstalten ihre Arbeit zu unterbrechen als wir hinkommen. Links und rechts ist Gebüsch, wir müssen also direkt beim Lkw vorbei. Mir ist mehr als mulmig, dass ich mein Rad dort vorbeischieben muss. Wenn da so ein Brocken aus dem Greifkorb oder von der Ladfläche rutscht, dann brauche ich mir keine Gedanken mehr zu machen was ich heute Abend essen will… Die könnten wirklich für ein paar Sekunden die Arbeit einstellen.
Wir kommen durch Albern (fast schon daheim also ), überqueren die Aist, und fahren am Damm weiter. Hier hat man auch einen neuen, glatten Belag aufgetragen. Das letzte Mal war da noch ein Feldweg. Hinter Au müssen wir vom Radweg weg, ein paar Kilometer noch bis Naarn, unser heutiges Ziel. Dort befragt Peperl das g‘scheite Kastl nach unserem Quartier, ich ziehe die altmodische Art der Befragung eines Einheimischen vor. Das Kastl sagt, wir müssen 18 km zurück, der Einheimische sagt ein kurzes Stück weiter auf unserem Weg. Da halte ich mich doch lieber an den Dorfbewohner… Und der hat auch recht, gleich drauf sind wir bei unserem Wirt, der auch noch der Betreiber einer Pizzeria ist. Also Essen auch heute wieder im selben Haus. Vorher aber noch ein Bier im Gastgarten !
Die Zimmer sind schön und neu, aber das Klo ist ähnlich knapp vor der Wand wie gestern, nur auf die andere Seite zu – jetzt habe ich die Beine zur rechten Seite gedreht, der Kopf steckt mehr oder weniger in der Duschkabine… 116 km haben wir heute geschafft, ein paar Minuten über 5 Std waren wir unterwegs.
7. TAG: NAARN – KREMS, 117 KM
Wir sind heut wieder zeitig auf, die Wetterprognose ist etwas unsicher, wir wollen früh los. Es sollte zwar heute noch nicht regnen, aber es ist den ganzen Tag stark bewölkt und Nass von oben wäre zumindest am Nachmittag schon auch möglich. Da wollen wir schon in Krems sein und dort ev auch gleich in den Zug einsteigen und heimfahren, wenn die Prognose für Freitag so bleibt, die da sagt, es soll vom Morgen an regnen…
Wir sind in Naarn etwas abseits vom Radweg. Direkt zurück müssten wir durch den Auwald und es ist heute wieder empfindlich kühl, so zeitig am Morgen. Da ist es im Wald sicher nochmal etwas feuchter, mit noch weniger Temperatur. So beschließen wir, auf der Straße zu bleiben, und erst beim Kraftwerk Mitterkirchen wieder zum R6 zu stoßen. Auf schmalen aber asphaltierten Nebenstraßen geht es durch winzige Ortschaften und Ortsteile. Straß, Staffling, Tabor, Ruprechtshofen, Wörth,…
Ganz bis zum Wasser hin müssen wir gar nicht. Bei Mitterkirchen selbst treffen wir schon auf den Radweg, der vom Kraftwerk herkommend, sich etwas von der Donau entfernt. Die Sonne macht sich weiterhin rar und die zwei Schichten Kleidung und die langen Ärmel die wir in der Früh angezogen haben, sind kein Fehler gewesen. Die schmale Straße schlängelt sich durch Kukuruz- und Getreidefelder, immer wieder mal ein paar Häuser, es ist recht abwechslungsreich.
Erst rund 8 km später sind wir dann zurück am Strom. Jetzt geht’s bis Dornach und weiter nach Grein direkt an der Donau entlang. Dabei fallen wieder die ungestümen Rennradfahrer auf, die ohne Warnung von hinten mit hohem Tempo daherkommen und vorbeipreschen. Kurz vor Grein
überqueren wir die Donau über die Brücke und fahren auf der Südseite weiter. Auf diesen Streckenteil freu ich mich schon. Aus der Erfahrung wissen wir, dass wir hier die weitaus schönere Strecke haben. Im Norden führt der Weg direkt an der Straße entlang, was Lärm bedeutet, und er hat auch einige Wasserablaufrinnen und andere Uneben-heiten aufzuweisen. Auf der Südseite kann zwar hin und wieder ein Auto auftauchen, aber die dürfen hier nur zufahren, und das auch nur auf den ersten Kilometern. Die Straße führt nirgendwo hin und ab Hößgang sind dann nur noch Radfahrer erlaubt.
Von Hößgang aus hat man auch eine schöne Sicht auf die andere Seite rüber. Die Insel Wörth, Burg Werfenstein und der Ort Struden liegen im Blick. Über einen kleinen Damm geht’s weiter. Links die Donau, rechts ein Ausstand, dazwischen der schmale Damm mit dem Fahrstreifen. Dann steigen rechts die Felsen steil hoch, neben uns die Donau, und tiefe Stille ist um uns. Bis Freyenstein bleibt das so – herrlich ! Der Wirt in Freyenstein hat heute leider Ruhetag, so geht’s bis Ybbs weiter. Diese letzten km ist die Straße betoniert und durch die Fugen etwas unruhig. Aber es sind nur ein paar km und bald sind wir beim Kraftwerk.
Diesmal setzten wir aber nicht über, sondern bleiben auf der rechten Uferseite. Eine riesige Kaplan-Turbine, wohl eine der ersten die nach dem Bau verwendet wurden, steht als Denkmal am Ufer. Wir schauen uns die Altstadt im Ortskern an und folgen dann den Radwegschildern hinaus. Dabei kommen wir so weit von der Donau ab, dass wir schon glauben uns verfahren zu haben.
Aber es kommen uns immer wieder Radfahrer auf diesem Weg entgegen, also wird’s schon stimmen. Dann ist da auch noch eine Umleitung und dadurch eine Staubstraße, alles unangenehm und eigenartig. Aber auch auf dem Plan weicht die Original-Route von der Donau ab, führt über die Ybbs und dann wieder im Halbkreis zur Donau zurück. Also alles richtig so, wir fahren auf jetzt wieder
gutem Asphalt weiter.
Ab Säusenstein eröffnet sich immer wieder durch den Baumwuchs am Ufer der Blick auf die andere Seite rüber und somit auf Maria Taferl.
Die bekannte Wallfahrtskirche thront hoch über der Donau, und ist von unserer Seite aus gut zu sehen.
Kurz vor Pöchlarn umkurven wir einen kleinen Bootshafen und halten dann direkt am Wasser bei einem kleinen Lokal Mittagspause. Dabei ziehen wir jetzt endgültig die Überkleidung aus. Die langen Ärmel müssen nicht mehr sein. Aber bis Mittag hin waren sie gut zu vertragen. Die Sonne wäre ja heiß, aber die vielen Wolken lassen kaum etwas durch, und der Wind ist doch bis weit in den Tag hinein kühl. Eigenartig, das Wetter heuer.
Apropos Wind: Der erweist sich auch heute wieder als guter Kamerad und bläst uns in den Rücken. So kommen wir gut und rasch vorwärts. Die Donau zeigt sich schöner als das Wetter und spiegelt sich in türkisfarbenen Schattierungen. Zumindest durch die Sonnenbrille ist das so. Selten, dass das Donauwasser so eine Farbe hat. Beim Bootshafen vorhin, war‘s fast wie am Meer. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich das je so gesehen hätte.
Gleich hinter Pöchlarn wechseln wir wieder die Uferseite. Ab Schönbühel müssten wir auf der Südseite auf der Straße im Verkehr fahren und es gibt auch kleine Steigungen. Auf der Nordseite gibt es einen eigenen Radweg, der zwar teilweise auch direkt neben der Straße ist, aber doch getrennt davon, oder man fährt auf schmalen Nebenstraßen durch die Orte. Auf jeden Fall die schönere und sicherere Strecke. Das findet offenbar auch eine große Gruppe Asiaten ! Um die 30 rollen auf kleinen Elektro-Klapprädern vor uns. Es ist gar nicht so ungefährlich, da unbeschadet vorbeizukommen. Die schwatzen und lachen miteinander, auf andere Radler wird da nicht geachtet.
Und noch was fällt uns auf: viele sind „vermummt“. Tuch oder Schal rund um den Kopf, einige haben sogar einen Mundschutz umgehängt. In Peking oder sonsteiner Großstadt in China oder Japan vielleicht notwendig, aber hier in Österreich, in der Wachau ? Oder ist es GERADE die gute, reine Luft, vor der sie sich fürchten ? Weil sie die ungewohnte gesunde Wachau-Luft eventuell nicht vertragen könnten ?
Bis Spitz bleiben wir auf der Nordseite, dann geht’s mit der Fähre zurück ans Südufer. Ab da ist kein Verkehr mehr, eigene Wege, teils schon auch neben der Straße, aber wenn, dann nur kurze Strecken.
Zuerst direkt neben der Donau, dann vor und nach Rossatz sehr idyllisch durch Obst- und Weingärten. Von unserer Seite haben wir auch einen schönen Blick nach drüben, besonders als wir
hinter Rossatz die Höhe von Dürnstein erreichen. Eine Wiese mit Campingplatz gibt freie Sicht auf den bekannten blauen Kirchturm und die noch bekanntere Burgruine ober dem Ort.
Auf einmal ein Ortsschild – Hundsheim ! Oh Gott, wir sind schon zu weit gefahren, haben Fischamend verpasst, sind schon an der Grenze ! Natürlich nicht, es gibt hier nur einen namensgleichen Ort Wie vorher schon am ersten Tag in Tirol vor Telfs den Ortsteil „Simmering“, oder „Albern“ gleich hinter Mauthausen. Immer wieder stoßen wir auf unseren Fahrten auf Ortsnamen, die es auch bei uns in der Gegend gibt. Bei Mautern wechseln wir dann ein letztes Mal die Flussseite über die Brücke, wir wollen nach Krems zum Bahnhof. Heute früh war ja für morgen Regenwetter angesagt, und da sich an der Prognose nichts geändert hat, und der Teil ab Krems sowieso nicht unbedingt der schönste und interessanteste ist (noch dazu schon -zig mal gefahren), wird es also der Zug.
Es macht keinen Sinn die relativ eintönige Strecke von Krems nach Hause dann auch noch im Regen zu fahren. Außerdem leidet Franz nach wie vor an den Auswirkungen des Sturzes vor ein paar Tagen. Es tut zwar nicht mehr so weh, sagt er, aber heute früh musste er zweimal niesen, und das war absolut kein Vergnügen für ihn… Also auch von da her die Entscheidung für den Zug.
Wir radeln durch Krems zum Bahnhof, und haben das „Glück“, grad 5 Minuten vor Abfahrt des nächsten Zuges dort anzukommen. Mit Fahrscheine kaufen, Gleis finden, und Radl runter und rauftragen, geht sich das nicht mehr aus. Heißt: 1 Stunde warten… Dafür bleibt Zeit für ein Eis, und beim Fahrscheinkaufen beim Automat noch ein lustiges Erlebnis. Peperl hat eine ÖBB-Vorteilscard, und zahlt laut ausgedrucktem Fahrschein dann 2,90 Euro samt Fahrrad bis Wien – Franz und ich zusammen fast 40 ! Da kann was nicht stimmen…
In Krems gibt’s zum Glück noch einen besetzten Schalter und dort fragen wir nach. Die erste Frage des Herrn dort: Hams heut Geburtstag ? Natürlich nicht ernst gemeint, das Geburtsdatum wird beim Fahrscheinkauf nicht erfragt (noch nicht…). Jedenfalls löst sich die Sache. Es gibt zwei verschiedene Senior-Cards und Peperl hat die falsche am Display angetippt. Jetzt gibt’s eine neue (richtige) Fahrkarte, jetzt passt‘s.
Zu unserem Gleis müssen wir zwei andere unterqueren. Wir sagen Franz, dass wir sein Rad runter- und rauftragen, aber er muss das natürlich selber erledigen… Erfolg: die Seite schmerzt wieder. Außer uns drei sind noch einige andere Fahrgäste mit Rädern da, die Sache wird wohl knapp mit den Stellplätzen. Als der Zug einfährt, wechseln wir noch rasch ans andere Ende. Schwups, die Räder rein und festgemacht – das wär geschafft ! Noch dazu auf einfache Weise, nicht so kompliziert wie im Rail-Jet ! Einfach das Rad an der Seite hin lehnen und mit Gurten festzurren – einfach, praktisch, gut ! Es kommen dann noch zwei Leute mit Rädern und dann einzeln nochmal zwei. Jetzt ist es wirklich knapp mit Stellplätzen. Einer verstaut sein Rad im „Halbstock“, im Aufgang zur oberen Etage, sonst wär‘ kein Durchgang mehr frei.
In Heiligenstadt steigen wir aus und müssen zu unserem nächsten Bahnsteig natürlich wieder Stiegen runter und rauf. Und wieder ist Franz nicht zu bewegen, sein Rad von uns zumindest HOCH bringen zu lassen. Einfach stur der Kerl, dem ist irgendwie nicht zu helfen. Jetzt hält er sich wieder die Seite, denn natürlich tut ihm das Tragen nicht gut – und dann auch weh…
Beim letzten Umsteigen am Handelskai wird’s dann noch richtig turbulent. Ich hätte gemeint, das ist nur ein ganz kleiner Bahnhof, mit wahrscheinlich nur zwei Gleisen. Auf einem kommen wir an, auf dem anderen fahren wir weiter, so wie am Rennweg, also ganz lockeres Raus und Rein. Was für ein Irrglaube !! Wir kommen auf Gleis 11 an, neben uns ist Gleis 12, wir müssen zum Gleis 1 ! Und da gibt’s sogar ZWEI Etagen, und auch die U-Bahn fährt da ! Uns bleiben etwa 7 Minuten. Wo geht’s zum Gleis 1 ? Irgendwo sehen wir einen Pfeil nach oben – also zur U-Bahn rauf. Oben dann Ratlosigkeit. Wie weiter ? Das Gelände ist unübersichtlich, verschachtelt, -zig Auf- und Abgänge, „tausend“ Schilder und Wegweiser… Wo bitte ist Gleis 1 ? Franz entdeckt dann auf einem Wegweiser ein Flugzeug-Symbol. Das sollte unsere Strecke sein. Also da lang, zweimal um die Ecke – wir müssen wieder runter. Aber es gibt zumindest einen Lift. Allerdings passen da kaum 2 Leute mit Rädern rein. Peperl rennt los, sucht sich einen Weg über Stiegen oder Rolltreppen, Franz und ich nehmen den Aufzug. Endlich unten, endlich am richtigen Bahnsteig, noch 2 Minuten. Diese Hetze hätten wir jetzt nicht gebraucht…
Aber wenigstens wird meine Befürchtung, dass jetzt eine alte Schnellbahngarnitur kommt, mit Stufen und einem Geländer in der Mitte vom Einstieg, nicht wahr. Da ist das Einsteigen mit dem Rad und dem schweren Gepäck hinten drauf schon eine Herausforderung. Aber wir haben jetzt doch einmal Glück. Breiter, ebenerdiger Einstieg, gleich ums Eck links und rechts Abstellmöglichkeiten für mehrere Räder und Gurten zum Festmachen. So soll das sein ! Wenn ich an das Theater beim Rail-Jet denke… Gut auch, dass wir schon am Handelskai zusteigen, wo nur wenige Leute außer uns sind. Am Praterstern oder in Wien-Mitte spielt sich da sicher mehr ab und mit den Rädern im Gedränge ist es immer unbequem und unter Umständen auch gleich mal gefährlich…
So sind wir jetzt ohne Stress, und haben bald Fischamend erreicht. Wir verabschieden uns von Peperl, der noch bis Regelsbrunn im Zug bleibt. Von da muss er sich nochmal aufs Rad schwingen und rund 10 km heimfahren – das, was Franz und ich am Beginn der Tour gemacht haben, als wir mit dem Rad nach Götzendorf gefahren sind. So gleicht sich auch das wieder aus. Nur das schon traditionelle Budweiser am Ende der Tour müssen wir so diesmal leider ausfallen lassen…
Damit war‘s das also, unsere turbulente Fahrt durch Österreich ist aus. Von Anfang an, von der Planung, die uns ja ursprünglich nach Grado hätte führen sollen, bis zum Ende, ist sie in einigen Bereichen nicht so gelaufen wie wir das wollten. Vor allem der Sturz und die Verletzung von Franz waren absolut außer Plan. Durch das Wetter erzwungen, haben wir ungewollt Teilbereiche mit dem Zug zurückgelegt, und auch heute am Ende wieder die Bahn benützt. Dass das aber die richtige Entscheidung war, zeigt der nächste Morgen: es schüttet, schon in der Nacht hat‘s zu regnen begonnen. Von Krems mit dem Rad im Regen wäre die schlechtere Option gewesen. Also gut gemacht.
Weit weniger gut haben wir es beim Unfall gemacht… Das hätte einfach nicht passieren dürfen. Andererseits, bei so vielen tausend Kilometern, bei so vielen Stunden, die wir gemeinsam schon gefahren sind, musste auch DAS irgendwann mal kommen… Es hätte nur besser für uns ausgehen können. Aber auch schlimmer… Wie schlimm es wirklich war/ist, ergibt sich am nächsten Tag. Franz ist gleich zum Röntgen und da zeigt sich, dass drei Rippen gebrochen sind ! Und damit fährt der Kerl noch fast 600 km mit uns mit ! Hart – härter – Franz… Damit ist es am besten ausgedrückt. Oder unvernünftig, leichtsinnig, blöd ? Bewundern, Hut ziehen, oder an den Kopf greifen ? Ich schwanke da noch zwischen diesen Ansichten . Aber die Leistung an sich ist schon außergewöhnlich. Also, Chapeau Franz…
Wir können ja nicht reinschauen in ihn, wies ihm wirklich geht. Am Anfang war‘s ihm schon anzumerken und er hat auch gesagt, dass ihm die Seite weh tut. Deshalb war ja in Ebbs am ersten Tag bereits beschlossen, zurück nach Kufstein zu fahren und mit dem Zug heimzufahren. Ich hatte auch schon den zuständigen Wochenendarzt ausfindig gemacht, und auch vorgeschlagen, gleich nach Kufstein ins Krankenhaus zu fahren. Ein Röntgen hätte gleich Gewissheit gebracht. Aber weder zum einen noch zum anderen war Franz zu bewegen. Es geht scho…Wenn, dann geh ich daheim zum Doktor. Wie wenn in Tirol noch Schamanen und Medizinmännern arbeiten würden…
Der Ruhetag wegen dem Regen und zwei Nächte haben dann eine unerwartete Besserung gebracht, sodass wir doch weiterfahren konnten. Und an diesem Tag sind wir dann auch „wenige“ km gefahren, was sicher auch beigetragen hat, dass sich die Sache soweit „gebessert“ hat, dass Franz weitermachen konnte. Wie sehr er sich dabei geplagt hat, weiß nur er selber. Letztlich war aber offenbar die Freude auf die Tour und der Wunsch das zu erleben, was eben den Reiz so einer Tour ausmacht, größer als die Schmerzen. Verschoben war Gott sei Dank nichts, sonst wär‘s wirklich gefährlich gewesen. Aber dann hätte er eh nicht weiterfahren können, das hätte sicher zu sehr weh getan.
Ansonsten kann ich die Strecke nur empfehlen ! Von St. Anton runter reiner Genuss, sowohl fürs Auge, als auch beim Radfahren. Auch die flachere Strecke am zweiten Tag bis Ebbs, aber immer zwischen den Bergen drin, war ein Traum ! Die Fahrt durch Bayern ist wunderschön, und auch an der Donau entlang war‘s nach einigen Jahren Abstand und mit einer diesmal leicht geänderten Route doch wieder interessant. Das Wetter hat dann gehalten, wenn wir auch immer wieder mal befürchten mussten, dass wir vielleicht doch nass werden. Der Wind war uns wohlgesinnt, was vor allem für Franz gut und erleichternd war. Bei Gegenwind wäre die Sache wohl weit anstrengender gewesen und hätte sicher auch durch den erhöhten Kraftaufwand mehr Schmerzen verursacht.
So bin ich halt zwiespältig am Ende. Die Strecke an sich ist so, dass ich sie sicher irgendwann wieder fahren werde. Da bekommt man schon viel Schönes von Österreich und Bayern zu sehen. Und wenn alle gesund sind und das Wetter mitspielt… Ja, das kann man schon gern noch einmal machen !
Auf der anderen Seite aber doch Dinge, die mich nachdenken lassen. Haben wir es richtig gemacht ? Hätten wir nicht doch unseren Willen durchsetzen und mit Franz zum Arzt sollen ? Egal ob er will oder nicht ? Hätte ich ihm einfach verbieten sollen, weiter zu fahren ? Was wäre, wenn es zu einem zweiten Sturz gekommen wäre ? Was, wenn eine Rippe z.B. im Schlaf DURCHBGEBROCHEN wäre ? Innere Verletzungen, Lunge… was hätte unter Umständen passieren können ? Ich bin froh, dass wir „heil“ zu Hause sind, dass es eben letztlich „nur“ normale Brüche sind, und das Ganze in ein paar Wochen verheilt sein wird. Es ist keine Operation nötig, auch keine besondere Behandlung. Viel kann man ja eh nicht machen. Ein paar Wochen Schonung bis alles wieder gut zusammengewachsen ist. Trotzdem – diese Gedanken oben beschäftigen mich noch einige weitere Tage und Nächte …
Bleibt mir also nur mehr, dem unglücklichen Kameraden alles Gute zu wünschen und dass die Pechsträhne jetzt auch wirklich zu Ende ist. Voriges Jahr die Pannenserie, und heuer der Unfall. Und jedes Mal erwischt es Franz… Damit muss jetzt Schluss sein !
Fast 700, landschaftlich sehr schöne, Kilometer waren es am Ende, über 32 Stunden, etliche tausend Kalorien, und auf dieser eigentlich „flachen“ Tour doch fast 5000 Meter bergauf. Überschattet von diesem blöden Unfall, waren es trotzdem wieder viele neue Eindrücke und Erlebnisse – also am Ende schon auch viel Positives dabei. Und so ein Hoppala wird uns wohl nicht mehr passieren. Nochmal möchte ich aber meinen Hut vor der Leistung und dem Durchhaltevermögen von Franz ziehen. Mit drei gebrochenen Rippen fährt man normalerweise keine 600 km mehr weiter… Ist schon ein harter Hund, unser Franz !